Kerngedichte

Kerngedichte – 7 morphopoetische Romanzen
2008

Nähe

Er verbeugte sich
vor den Chopsticks
ohne Sprache
mit drei Schriftrollen
unter dem Arm.

Sein Schiff lag vor Anker,
betroffen im Herzen,
war er an Land gegangen,
um sich an den Tisch zu setzen.

Auf den Schwingen des Frühlings
ist er nun
in die Heimat
Zurückgekehrt.

Dort

Dort wo eine Sprache
Alle Wesen stillt
Da sie uns Vorstellung gibt
Von dem Möglichen!

Dort harren wir ihrer
Ohne ein Wort zu begreifen,
Heimgesucht von Göttern und Subjekten
Schweigt sie uns an mit fraglosem Blick.

Hemmen

Schicksal und Mensch
Gehen hinter Zeichen
 Wirken in zügigen Strichen
die Ströme der Urkraft,

Steigen ins Bild,
stellen Himmel dar!

Was bewirken Macht
Und Erreichen?

Die Wirkung bereitet
die Menschenwelt vor,
Auf das, was ihr Hemmen
dem Wesen verbirgt.

Neunstetten

Auf der G´stettn
In die Hände
Eines Schatten
Fällt das erste Wort
Des Kindes.

Laute hallen unverstanden
In den Himmel.
Wellen rollen an die Klippen,
Doch ein Felsen stemmt die Kraft.

In den Bäumen singt das Heimweh
Nach dem süßen Augenblick,
Da Feld und Wiesen
Feenreiche waren.

Hafen

Aufgetaucht aus tiefer See
mit dichter Maske
hinein in die Verlogenheit
einer weiten Architektur
Mit engen Kojen für das Herz.

In Celophan verpackte Blicke liegen
Verstreut am spiegelblanken Boden.
Der freie Himmel überm Käfig
Ist Hoffnung hinter Glas.

Geschützt vorm Außen,
Nerven innen Bahnen,
– Punktgenau am Knoten!

Kern

Strahlen peitschen magnetisch
ins Licht,
Frühstück im Grünen.

Ein Derwisch tanzte vierzig Tage
im Wald.
Mohn blüht
in Vierteln und Achteln.


Feen fliegen am Trapez
und Faune flöten im Gras,
Farben gleiten auf Schienen
im Sonnenwind.

Eseln

Wir eseln zwischen Schatten
über Sand
in zirrem Schlag am Licht.

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© Janus Zeitstein 2023