Liebe Verwandte und Freunde,
ich möchte euch alle recht herzlich zu dieser besonderen Ausstellung begrüßen!
Bei Peters Verabschiedung (im Gasthaus Süss) in Wien Ottakring vor 10 Jahren vereinbarten wir so lose einmal, eine Ausstellung über Peters Schaffen zu machen.
Für deine Initiative lieber Michael, diese Absicht aufzugreifen, zu konkretisieren und für das zur Verfügung stellen deines Schüttkastens möchte ich mich im Namen von uns allen sehr herzlich bedanken!
Ein ganz besonderer Dank geht aber auch an dich Martin für die Kuratierung dieser Ausstellung und an alle, die Arbeiten von Peter zur Verfügung gestellt haben.
Als ältester Bruder möchte ich einige Gedanken mit euch teilen.
Woher kam der Fundus aus dem Peter geschöpft hat?
Unsere Mutter Mara war 4 Jahre alt, als ihr Vater, der Altarbildhauer Josef Bachlechner aus Bruneck, 53-jährig 1923 starb. Unsere Großmutter Klara wurde im Alter von 27 Jahren mit 4 Kindern zwischen 6 und 1 Jahr Witwe. In dieser wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit nach dem ersten Weltkrieg gelang es ihr, den Bachlechnerverlag zu gründen, mit dem sie die Familie auf stabile wirtschaftliche Beine stellen konnte. Sie durfte zur damaligen Zeit die Kinder nicht allein betreuen. Als Vormund wurde der Vater von Max Weiler eingesetzt. Mara, als einzige Tochter mit 3 Brüdern, war dadurch schon früh selbstständig, arbeitete im Verlag mit und es war in ihr das unkonventionelle, abenteuerliche und furchtlose angelegt, das später in Peter fortleben sollte.
So genoss sie es, zusammen mit ihrem Cousin Arturo mit der Vespa durch die Altstadt von Bergamo zu kurven und lernte dadurch eine für damalige Tiroler Verhältnisse andere offenere Welt kennen. Zu Hause war Mara in den Bergen unterwegs und kletterte mit Hermann Buhl im Karwendel herum. Die Betreuung ihres älteren schwer kranken Bruders Theo, dem sie sehr nahestand und den sie immer wieder vor dem Euthanasieprogram des NS Regimes retten musste, war für sie die zentrale Aufgabe in dieser Zeit. Dass sie sich im passiven Wiederstand zum Nationalsozialismus befand, an der Grenze zur Illegalität, hat sie uns gegenüber immer wieder betont. Auch später war sie sogenannten Autoritäten in Kirche und Politik gegenüber kritisch eingestellt und scheute auch keine Auseinandersetzung mit Lehrpersonen, wenn es um uns Kinder ging. Für Peter war Mara Komplizin und Mutter. Die Komplizin hat alles nachvollziehen können, was es an Narreteien in Peters Leben gab. Als Mutter aber wollte sie ihn vor den Konsequenzen schützen.
Die Basis, dass das alles so überhaupt stattfinden konnte, lag in der Toleranz unseres Vaters Andreas. Diese Toleranz des Vaters war nicht eine aufgesetzte Liberalität, sondern eine tief empfundene bergbäuerliche Religiosität, die die Geheimnisse des Lebens annimmt und Geschehen lässt. Unser Vater kam von einem Bergbauernhof, wuchs unter ärmlichsten Verhältnissen auf und konnte nur das Gymnasium besuchen und später studieren, weil ihm die Volksschullehrerin das Schulgeld bezahlt hatte. Auch als Verfassungsrichter ist unser Vater immer der offene, tolerante, einfache und bescheidene Mensch geblieben. Diese authentische und warmherzige Vaterfigur war für uns und besonders für Peter sehr prägend.
Wie sich die Religiosität unseres Großvaters Josef Bachlechner auf das Jenseitige gerichtet hatte und sich in einer Frömmigkeit und Inbrunst zeigte, so hat sich bei Peter diese Spiritualität mit der gleichen Inbrunst auf das Diesseitige, auf das Leben, gerichtet. Er war gewissermaßen ein Mystiker, der in das Leben bis in seine Extreme eingedrungen ist. Sein Ziel war es, nicht durch seine Begabung und sein Schaffen sich einen Platz in der Welt zu schaffen. Es war nur Mittel, um zu irgendeinem geheimnisvollen Zentrum vorzudringen, von dem wahrscheinlich nur er selber wusste (oder von dem nicht einmal er selber wusste?). Deshalb hat er immer wieder an dem Punkt, an dem wir meinten, er macht seinen ersten Schritt in Richtung Erfolg und Karriere abrupt abgebrochen und setzte seine Suche nach diesem unbekannten Geheimnis fort. Dies war für Freunde und die Familie, aber auch für ihn sehr schmerzlich.
In der Begleitung unseres Vaters am Sterbebett über mehrere Monate fand Peter, wie ich meine, einen Höhepunkt seines kreativen Schaffens. In dem Moment traf sich die Frömmigkeit des diesseitigen Peter mit der tiefen Frömmigkeit des Bergbauern, der den Prozess des Sterbens voll akzeptiert hat. Bei den vielen Abbrüchen, die Peters Leben bestimmt hatten, führte er diese Aufgabe bis zu ihrem Ende. Niemand in unserer Familie wäre zu so einer tiefen Beziehung fähig gewesen.
Jeder von uns vier Geschwistern erlebte Peter als ein großes, liebenswertes Geheimnis. Es waren besonders die Kinder, zu denen Peter einen unmittelbaren spontanen und begeisternden Zugang hatte, die diesem Geheimnis am nächsten kamen. Bei einer meiner letzten Begegnungen in Wien sprach Peter davon, dass er sein Leben in der Tradition von Eremiten, Exzentrikern und vieler anderer, die am Rand der Gesellschaft lebten, sah.
Er war überzeugt, dass er als Teil von all diesen ein unverzichtbarer Beitrag und ein wichtiges Ferment für das Gedeihen und Blühen unserer Kultur und Lebensform war. Diese sollte gesehen, anerkannt und gewürdigt werden.
Ich gebe an Martin weiter und wünsche euch eine schöne Zeit, mit dem was Peter uns hinterlassen hat: seine Werke und unsere Erinnerungen an ihn!
© Theo Saxer 2023